(kunid) Bei komplexen Produkten erwartet sich der Kunde eine persönliche Beratung, so das zentrale Ergebnis einer aktuellen Studie des Finanz-Marketing Verbandes (FMVÖ).
Natürlich stellt sich jetzt – im Ausklingen der Pandemie – die Frage: Wie hat sich die Beratung verändert?
Dazu erklärt Robert Sobotka, seines Zeichens Geschäftsführer von Telemark Marketing, FMVÖ-Vorstandsmitglied und Co-Autor der vorliegenden Studie, dass der Anteil des Onlinevertriebs in den letzten Jahren stets im niedrigen einstelligen Prozentbereich lag.
„Die spannende Frage für mich war: Hat es in der Versicherungsbranche einen Boom an Onlineabschlüssen gegeben?“ Gleich gibt Sobotka auch die Antwort: „Die einhellige Meinung aller Experten über alle Institute ist: Nein.“
Sobotka gliedert seine Begründung in drei Punkte.
Kein Schub für Online-Versicherungsvertrieb in der Pandemie
Erstens: Online abgeschlossen worden sind bis dato meist „einfache“ Versicherungen wie Reise oder Kfz-Versicherung. Durch den Lockdown sind aber sowohl das Reisegeschehen als auch die Kfz-Anmeldungen eingebrochen – dementsprechend auch das Abschlussgeschehen in diesen Bereichen.
Zweitens: Die „Attraktivität im Kauferlebnis“ fehlt. Sobotka zitiert die Aussage eines Experten: „Wer sitzt schon gern am Sonntagabend zu Hause, surft im Internet und schließt eine Versicherung ab?“
Drittens: Im Handel kann man nahezu jedes Produkt online erwerben, bei Versicherungen ist das nicht so. Das Angebot der meisten Gesellschaften beschränkt sich auf wenige „einfache“ Produkte. Komplexere – wie Kranken- oder Lebensversicherungen – erfordern aber eine persönliche Beratung.
Die Videoberatung hat sich im Versicherungsbereich auch nicht durchgesetzt, so Sobotka.
Ein Mittelweg
Oft gehen die Versicherer online einen Mittelweg – nämlich, den Interessenten die Möglichkeit zu geben, ein Angebot online zu berechnen, den Abschluss aber nur persönlich beim Berater machen zu können.
Sobotka: „Das ist ein Mittelweg, der eigentlich ganz gut funktioniert.“ Wenn man bedenkt, dass bei der Kfz-Versicherung sowieso noch der Prozess der Kfz-Zulassung hinzukommt, bringt es nicht so viel Effizienzgewinn, wenn ich das gleich online abschließe.
Im internationalen Vergleich
Und wo liegt Österreich beim Online-Versicherungsvertrieb im internationalen Vergleich? Europa liegt hinter dem angloamerikanischen Raum und Österreich hinter Deutschland, sagt Sobotka.
Gerade einmal um die acht Prozent der österreichischen Bevölkerung haben überhaupt jemals eine Versicherung online abgeschlossen.
Die Nutzung des Internets als Informationskanal ist in Österreich mittlerweile stark verbreitet, der Onlineabschluss „klassischer“ Versicherungen aber eben im niedrigen einstelligen Bereich angesiedelt.
Davon, dass Österreich „rückständig“ wäre, will Sobotka aber nicht sprechen, eine solche Qualifizierung ist nicht angebracht: „Denn es stellt sich ja auch die Frage, inwieweit Digitalisierung ein Fortschritt ist – Digitalisierung ist nicht immer automatisch auch gut.“
Kunden wollen Beratung „nicht missen“
Nach Ansicht der Experten wird das Angebot an Online-Abschlussmöglichkeiten zwar steigen. Aber: Die klassischen großen österreichischen Versicherer werden auch in Zukunft auf die persönliche Beratung setzen.
Dieser Strategie geben Ergebnisse aus Kundenbefragungen Recht. Aus diesen ist ersichtlich, dass der Kunde bei komplexen Versicherungen sehr großen Wert auf die persönliche Beratung legt.
Warum? „Versicherungen schließt man nicht sehr oft ab, man ist mit seiner Versicherung nicht so oft konfrontiert wie beispielsweise mit seiner Bank“, sagt Sobotka. Daher will der Kunde die Beratung nicht missen. Das trifft sowohl auf jüngere als auch auf ältere Kunden zu.
Da diese Form der Beratung in den letzten Monaten nur eingeschränkt hat stattfinden können – Stichworte Maskenpflicht, Abstandhalten –, ist mit Rückkehr der Normalität zu erwarten, dass die persönliche Beratung wieder eine Renaissance erlebt.