(kunid) Die Pandemie und die Auswirkungen auf die Kinder-Unfallambulanzen wurden nun untersucht. So sank im März und April 2020 die Tagesfrequenz in der Abteilung für Kinder- und Jugendchirurgie des Wiener SMZ Ost gegenüber dem Vergleichszeitraum 2019 im Schnitt von 23 auf 13 Unfallaufnahmen pro Tag.
Wenn denn die Pandemie auch gute Seiten hat – dann etwa die: Die Kinder-Unfallambulanzen hierzulande verzeichnen weniger Aufnahmen.
Das Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV) hat nun zusammen mit dem Wiener Klinikum Donaustadt (SMZ Ost) untersucht, wie sich die Ausgangsbeschränkungen auf das Geschehen in dessen Abteilung für Kinder- und Jugendchirurgie ausgewirkt hat.
Hierfür wurden die Ambulanzkontakte im März und April 2020 ausgewertet und die Folgemonate beobachtet.
Tagesfrequenz um rund 40 % gesunken
Im Vergleich zu 2019 sank die durchschnittliche Tagesfrequenz demzufolge von 23 auf 13 Unfallaufnahmen pro Tag.
Mit 60 % hat der Rückgang schon in den ersten zwei Wochen des Lockdowns seinen höchsten Wert erreicht.
Im April stieg die Zahl der aufgenommenen Unfälle wieder leicht an und erreichte wieder eine geschätzte Angleichung an das Normalniveau im Laufe des Jahres.
Der Rückgang hat vor allem Kinder ab dem dritten Lebensjahr betroffen. Bei Kleinkindern unter einem Jahr war hingegen kaum eine Veränderung zwischen den zwei Vergleichszeiträumen zu beobachten.
Anteil der leichten Verletzungen verringert
Kinder mit leichten Verletzungen sind seltener zur Behandlung gekommen, aber: der Anteil der schwereren Verletzungen wuchs.
So zeigt sich, dass sich der Anteil der Kopfverletzungen an den Unfallverletzungen von 44 % im Jahr 2019 auf 55 % im März und April 2020 erhöht (+27 %) hat. Bei Mädchen hat er sich sogar um 47 % erhöht.
Klare Erkenntnis der Studie: Die Verlagerung der Unfälle in die eigenen vier Wände wurde vor allem durch den „Ausfall“ der Unfälle beim Sport und körperlichen Aktivitäten in Freizeit und Schule verursacht.
Eine Ausnahme hingegen stellen Aktivitäten wie Radfahren, Scooter-Fahren oder Trampolinspringen dar, die weiterhin ausgeübt werden konnten und damit quasi kompensatorisch sogar häufiger stattgefunden haben.
Kleine „Weltentdecker“ vermehrt gefährdet
Im Zuge der pandemiebezogenen Regelungen sind besonders bei den Vorschulkindern die Unfälle im Wohnbereich in den Vordergrund getreten, erklärt Alexander Rokitansky, Vorstand der Abteilung für Kinder- und Jugendchirurgie am SMZ Ost.
Klein- und Vorschulkinder sind im häuslichen Umfeld als „Weltentdecker“ vermehrt unfallgefährdet, großer Bewegungsdrang spielt hier eine wesentliche Rolle.
Dieser hat sich in besonderem Maße aufgestaut, deshalb ist es neben vermehrten Stürzen zu Kopfverletzungen, Verbrennungen und Verschlucken oder Einatmen von Fremdkörpern gekommen.
Ausgangsbeschränkungen als Hemmschwelle für den Spitalsbesuch
Inwieweit haben die Ausgangsbeschränkungen dazu geführt, dass Kinder trotz Verletzung nicht ins Krankenhaus gebracht werden?
Aus Umfragen ist bekannt, dass fast 30 % der Eltern, deren Kinder während des Lockdowns einen Unfall erlitten hatten, ihr Kind unter „normalen Umständen“ in die Ambulanz gebracht hätten, dies aber aufgrund der Covid-19-Maßnahmen nicht getan haben, so die Studie: Leichtere Verletzungen wurden in der Lockdown-Phase vermehrt in Eigenregie behandelt.
Kaffeesud, Zahnpasta und Henna
Auffällig sind mangelhafte Versuche von Eltern oder anderen Bezugspersonen, Verletzungen der Kinder selbst erstzuversorgen. So sind Kinder in den Ambulanzen vorstellig geworden, deren Wunden mit Kaffeesud, Zahnpasta, Tabak oder Henna zu versorgen versucht wurden!
Aus der Ambulanz des Studienkrankenhauses gibt es zahlreiche Berichte über den Einsatz „traditioneller Hausmittel“: So sind z.B. Mehl gegen eine Verbrennung angewandt oder Kaffeepulver auf offene Wunden gegeben worden.
„Das hat im besten Fall keine Wirkung, meistens wird die Verletzung dadurch aber verschlimmert“, warnt das KFV.
Prävention und Erste-Hilfe-Know-how
Gerade unter den Bedingungen einer Ausgangsbeschränkung, während der viel Zeit zu Hause verbracht werden muss, können und sollen Unfälle primär und im Vorhinein verhindert werden.
Nicht nur die Ambulanzen empfehlen daher, gerade jetzt verstärkt auf die eigenen Kinder aufzupassen.